Gerüstet für größere Aufgaben
Etappenziel für das westliche Niedersachsen: In Börger nahe der niederländischen Grenze im
Emsland wird in diesen Tage das erste regionale Verteilzentrum der niedersächsischen Tafeln
offiziell eröffnet. Ein weiteres ist in der Region Hannover geplant. pdf-Ansicht
Von Klaus Pohlmann | klaus.pohlmann@ hannover.ihk.de
Platz für rund 200 Paletten mit Trockenware, außerdem ein Kühl- sowie ein Tiefkühlraum, die jeweils 30 Paletten fassen: Das bietet das erste Verteilzentrum der niedersächsischen Tafeln in Börger im Emsland. Auch in der Region Hannover soll ein solches Verteilzentrum eingerichtet werden. Hier ist Uwe Lampe, Vorsitzender des Landesverbandes der Tafeln in Niedersachsen und Bremen, noch auf der Suche nach passenden Räumen.
Die Verteilzentren sollen in Niedersachsen eine Lücke füllen. Bundesweit gibt es bereits rund 30 dieser Einrichtungen für die Tafeln in den jeweiligen Ländern. Sie schaffen eine Möglichkeit für Hersteller und Handelsunternehmen, um Waren in größeren Mengen bereitzustellen. Bundesweit gibt es inzwischen rund 1000 Tafeln.
Bereits bevor das Verteilzentrum in Börger offiziell die Arbeit aufnahm, erklärte Niedersachsens Verbraucherschutzministerin Miriam Staudte gegenüber der NW, sie freue sich über die neue diese neue Möglichkeit: „Mein Haus fördert die Logistikorganisation mit knapp 2 Mio. Euro“, erklärte Staudte. „In den Räumlichkeiten können nun die Großspenden der Lebensmittelhersteller aus ganz Deutschland entgegengenommen, registriert, zwischengelagert und an die mehr als 100 Tafeln in Niedersachsen verteilt werden. So können wir Warenströme erreichen, die aufgrund ihrer Größe bislang nicht von den einzelnen Tafeln abgenommen werden konnten. Dies ist ein großer Schritt für mehr Lebensmittelrettung in Niedersachsen.“
Bislang werden die niedersächsischen Tafeln über den Einzelhandel vor Ort mit Ware versorgt. Von Börger und künftig von einem hannoverschen Verteilzentrum aus werden Lebensmittel oder Waren des täglichen Bedarfs an Tafeln in Niedersachsen weitergegeben. Dazu verfügt der Landesverband der Tafeln inzwischen über einen Fuhrpark mit aktuell sechs VW-Craftern, davon vier mit Kühlung. Sie wurden vom Wolfsburger Konzern zur Verfügung gestellt und den Anforderungen der Tafeln entsprechend ausgerüstet. Die Flotte soll auch noch um weitere Fahrzeuge samt Anhängern aufgestockt werden.
Damit sieht sich der Tafel-Landesverband auch in der Lage, Waren bei den Spender-Unternehmen abzuholen, so Uwe Lampe. Zwischen Harz und Nordsee werden rund 220 000 Menschen unterstützt. Für die Tafeln wiederum arbeiten im Land etwa 7500 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Schirmherr ist in Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil.
Das Land hat die Finanzierung der beiden Verteilzentren zunächst bis Ende 2026 übernommen. Dazu gehören auch die Arbeitsplätze, die an beiden Standorten entstehen. In Börger sind das zwei Vollzeit-Jobs und weitere drei Teilzeitstellen. Gleiches ist in Hannover geplant. Tafel-Verbandschef Lampe spricht außerdem von logistischen Herausforderungen, die zu weiteren Aufgaben führen können. Beispiel: Frische Lebensmittel mit nur noch kurzen Mindesthaltbarkeitszeiten, die innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen vor Ort sein müssen, damit sie noch verteilt werden können.
Der niedersächsische Landesverband ist nach den Worten Lampes auch der einzige bundesweit, der über eigene Fahrzeuge verfügt. In anderen Bundesländern setzen die Tafeln auf die Zusammenarbeit mit Logistik-Unternehmen.
Die Verteilzentren in Niedersachsen kommen aus Sicht des Verbandsvorsitzenden genau zu richtigen Zeit. Das betrifft nicht allein den unter anderem durch den Ukraine-Krieg deutlich gestiegenen Bedarf. Bereits 2022 zogen die Tafeln bundesweit eine erste Bilanz. Damals meldeten knapp 40 Prozent der Einrichtungen eine Zunahme ihrer Kundinnen und Kunden um etwa die Hälfte. Bei fast acht Prozent hatte sich die Zahl sogar verdoppelt. Gleichzeitig gingen die Lebensmittelspenden zurück. Ursache unter anderem: Mehr Rabattaktionen in Zeiten der Inflation, so Lampe.
Aber es gibt noch eine andere Seite: Vor ziemlich genau einem Jahr hatte sich Handelsunternehmen in einer Vereinbarung mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium verpflichtet, die Lebensmittelabfälle bis 2025 um 30 Prozent und bis 2030 um 50 Prozent zu verringern. Deshalb nimmt Lampe auch ein hohes Interesse der entsprechenden Unternehmen war, mit den Tafeln zusammenzuarbeiten. Schon vor der Selbstverpflichtung hätten die Tafeln bundesweit mehr als 600 LKW-Ladungen an Waren erhalten – ohne entsprechende Akquise. Aber auch er selbst sei bereits von einem Unternehmen in der Region Hannover angesprochen worden.
Umso dringender die Suche nach einem weiteren Standort. Bis in den Mai hatten sich verschiedene Varianten immer wieder zerschlagen. In Börger nutzt der Tafelverband nun die Hallen eines ehemaligen Kfz-Betriebs. Bis das hannoversche Verteilzentrum im wahrsten Sinn des Wortes unter Dach und Fach ist, bleibt Uwe Lampe nur die Suche nach einer vergleichbaren Lösung im Umfeld der Landeshauptstadt.